Wer sich für die wunderbare Welt der Zugvögel und den großen Vogelzug interessiert, der ist auf Öland genau am richtigen Ort. Mit einer Fülle an Landspitzen und Stränden bietet die Insel Besuchern und Einwohnern endlose Möglichkeiten, um den Blick über das Meer oder einen Wasserlauf schweifen zu lassen.
Der Norden Ölands wird von Laub- und Nadelwäldern bestimmt, die sich mit Weideflächen abwechseln. Im südlichen Drittel der Insel hingegen erstreckt sich das Stora Alvaret, eine ausgedehnte steppenartige Agrarlandschaft, die geheimnisvoll anmutet!
Öland ist ein bevorzugter Anziehungspunkt für Abermillionen Zugvögel, die auf der landschaftlich eindrucksvollen Insel ein Paradies zum Rasten oder Brüten finden – das ganze Jahr über! Es heißt, dass Inseln auf Zugvögel wie Magnete wirken, dass sie einen sogenannten „Insel-Effekt“ auf die Tiere ausüben. Und das stimmt zweifelsohne. Für die meisten Vögel ist der Flug über ausgedehnte Wasserflächen problematisch, denn auf dem offenen Meer können sie keine Pausen einlegen, um neue Kraft zu schöpfen. Doch die Tiere „wissen“, dass sie über kurz oder lang eine Insel erreichen werden, auf der sie rasten können und Futter finden.
Für Zugvögel auf dem Weg vom Norden in den Süden ist Öland eine langgestreckte, natürliche Landmarke. Mit ihren langen Küstenlinien zieht die Insel zudem riesige Schwärme an, die in Ost-West-Richtung unterwegs sind.
Die für Vogelbeobachter interessantesten Zeiten sind im Allgemeinen während der Frühjahrs- und Herbstwanderungen der Zugvögel. Auf Öland wird jedoch deutlich, dass der Vogelzug das ganze Jahr über, also während des gesamten jährlichen Umlaufs der Erde um die Sonne stattfindet!
Menschen, die sich für die grenzenlose Welt der Zugvögel begeistern, finden auf Öland immer den richtigen Tag, Ort oder Moment für eine interessante Vogelbeobachtung.
Im Februar kann man beispielsweise Tausende von Sturmmöwen und Silbermöwen beobachten, die in südwestlicher Richtung an Öland vorbeiziehen. Um diese Zeit vereisen der Finnische Meerbusen und die angrenzenden Gewässer, und während sich die Eisgrenze langsam weiter nach Süden verschiebt, ziehen die Möwen in Richtung der südlichen Ostsee und der dänischen Gewässer.
Gleichzeitig vollzieht sich ein anderes spektakuläres Naturphänomen, denn mit der milderen Luft über dem Atlantik und den ersten guten Tiefdruckgebieten über den Britischen Inseln gelangen die ersten Frühlingsvögel nach Öland. Zu diesen bisweilen als „Kurzstreckenzieher“ bezeichneten Arten gehören die Graugans, die Brandgans, der Kiebitz, der Goldregenpfeifer, die Feldlerche und der Star.
Wesentlich weiter südlich der Tiefdruckgebiete, auf dem afrikanischen Kontinent, tickt die innere Uhr der Zugvögel schon dem Tag des Abflugs entgegen. Unabhängig von der Wetterlage in Nordeuropa beginnen der im Alvar ansässige Steinschmätzer und die häufig in Fischereihäfen anzutreffende Bachstelze nun in Kürze ihren Flug Richtung Norden. Diese beiden Arten gehören zu den Zugvögeln, die jedes Frühjahr fast auf den Tag genau zurückkehren, und werden von uns Menschen sehr geliebt. Die treuen Geschöpfe vermitteln uns eine Art Sicherheitsgefühl. Denn was gibt es Schöneres, als an einem Frühlingsmorgen erfreut festzustellen, dass die Bachstelze zurück ist und uns auf dem Dach der Angelhütte sitzend zwitschernd begrüßt?
Wenn die letzten Wiederkehrer, wie etwa der Karmingimpel und der Grünlaubsänger, Öland und Schweden Anfang Juni erreichen, ertönen hier bereits die Paarungsrufe der Vogelarten, die ihr Brutgebiet im Herbst verlassen. Zu ihnen gehören unter anderem der Dunkle Wasserläufer, der Waldwasserläufer und der Große Brachvogel. Die weiblichen Tiere treten die lange Reise als Erste an; sie haben ihren Teil zur Fortpflanzung beigetragen und machen sich nun auf den Weg ins Winterquartier. Ihre Partner bleiben ein wenig länger auf Öland, um sicherzustellen, dass sich die Küken bis Juli zu Jungvögeln entwickelt haben. Dann ziehen auch die männlichen Tiere gen Süden, während die neue Generation erst im August/September aufbricht.
Stellen Sie sich das einmal vor! Obgleich die Wanderungen dieser Vögel zu drei völlig unterschiedlichen Zeitpunkten beginnen, erfolgen sie doch über genau dieselbe Strecke, und alle Tiere erreichen das gleiche Winterhabitat! Einfach unglaublich!
Für die Vögel ist der Herbst daher etwas völlig anderes als das, was wir Menschen Herbst nennen – ein kaum wahrnehmbares Gefühl, doch gleichzeitig auch ein konkret spürbares Erlebnis. Für Zugvögel dauert der Herbst auf Öland über sechs Monate!
Mit dem Beginn des neuen Jahres brausen die ersten Stürme aus dem Osten auf. Sie haben heftige und ergiebige Schneeschauer im Gepäck, die die Meteorologen heute als „Schneekanonen“ bezeichnen. Zwergmöwen, die fernab vom Festland auf dem offenen Meer leben, können jetzt zu Tausenden die Ostsee verlassen. Elegant wie die Seeschwalbe lässt sich die kleinste Vogelart aus der Familie der Möwen nun von den rauschenden Wogen der stürmischen See tragen und erinnert uns an die aus der Literatur bekannte Möwe Jonathan.
Auch wenn der Winter auf der Insel Öland angebrochen ist: Der Zug der Vögel geht weiter. Auf Öland beginnt jeden Tag ein neues Vogeljahr!
Visitolands Gästreporter: Göran Andersson
Ottenby Vogelstation Öland: www.ottenby.se
Fotografen: Hans Olsson, Annika Lund och Tommie Skoog
Blog: fotograf Hans Olsson , Nur auf Schwedisch, aber mit wunderschönen Bildern